Die Lounge in der 1.Staffel des Aufklärungsgeschwaders 52 hatte eine gemütliche Bar, welche auch von der Loungegemeinschaft nach Kräften genutzt wurde. Zur Nachbereitung von Nachtflügen und zu speziellen Events trank man hier gerne einige Biere in geselliger Runde. Besondere Gläser mit dem Geschwaderwappen gab es nicht; die meisten tranken ihr „Flens“ aus der Flasche und waren es zufrieden damit. Die wenigen, welche es bevorzugten, ihr Bier aus dem Glas zu trinken, konnten aus einem Sammelsurium von unterschiedlichen Gläsern wählen.
Unserem Staffelkapitän Major Straubinger gefiel dieser Zustand aber nicht; er war der Meinung, dass jeder seinen eigenen Bierkrug mit Namen und Geschwaderwappen haben sollte, um die gemeinsame Identität zu fördern. Major Straubinger kam vom AG 51 „Immelmann“ aus Bremgarten; und von dort kannte er die Sache mit den identitätsstiftenden Bierkrügen. Wir waren überwiegend der Meinung, dass wir auch ohne derartige Hilfsmittel über ein ausreichendes Gemeinschaftsgefühl verfügten, wollten uns aber auch gegenüber Neuerungen nicht verschlossen zeigen. Also brachte Major Straubinger einen seiner Bierkrüge mit dem roten Eulenwappen des Aufklärungsgeschwaders 51 „Immelmann“ und der Aufschrift „Straubinger“ als Anschauungsmaterial mit. Mit etwas Fantasie konnte sich jeder vorstellen, wie so ein Krug mit Panther statt Eule und mit seinem Namen aussehen würde. Es wurde eine Bestellliste ausgelegt, auf der sich jeder eintragen konnte. Auch ich bestellte 6 Krüge zum Preis von 5,- DM pro Krug, denn man wollte ja auch zu Hause so schöne identitätsstiftende Bierkrüge haben. Nachdem genügend Bestellungen eingegangen waren, verkündete Major Straubinger, dass die bestellten Bierkrüge noch rechtzeitig vor dem alljährlichen Schlachtfest Mitte Januar in der Staffel eintreffen würden.
Als die Palette mit den Bierkrügen bei Annahme und Versand ankam war Straubinger im Urlaub, weshalb wir sie entgegennahmen. Wir beschlossen, sie zunächst ins Chefzimmer zu stellen, waren aber neugierig wie sie denn nun aussehen würden. Also wurde eine Kiste geöffnet und einer der Bierkrüge herausgeholt. Dieser war aber mit einer Eule und dem Namen „Straubinger“ versehen. Was wir ein Zufall, dass wir ausgerechnet das eine Beispielexemplar erwischt hatten! Die nächsten Bierkrüge wurden herausgeholt und alle Kisten wurden ausgepackt, aber es war immer das Gleiche: Eule und Straubinger!
Was war nun zu tun mit den vielen Eulenkrügen? Wir packten alle wieder fein säuberlich in ihre Kisten und stapelten diese vor der Tür des Chefzimmers auf. Beim Öffnen der ersten Kiste freute sich Major Straubinger noch als er „seinen“ Bierkrug in der Hand hielt. Je mehr Eulenkrüge er auspackte, desto länger wurde sein Gesicht. Auch das Herz, welches ein ungenanntes Staffelmitglied in die Tür des Chefzimmers gesägt hatte und welches beim Herunterladen der aufgetürmten Kisten zum Vorschein kam, vermochte ihn nicht zu trösten.
Der Markt für Eulenkrüge mit der „Straubinger“ Aufschrift war leider zu dieser Zeit in Leck nicht günstig. Bevor er auf allen Krügen sitzen blieb nahm Major Straubinger daher dankbar das Angebot an, welches Klaus Krützfeld, das wohl geschäftstüchtigste Mitglied der Staffel, ihm unterbreitete. Klaus zahlte ihm 50 Pfennig für jeden Bierkrug und verkaufte diese dann problemlos für 1,- DM pro Stück weiter. Denn Eule oder Panther hin oder her, so günstig kam man nie wieder an einen schönen Bierkrug! Den Reingewinn behielt Klaus übrigens nicht für sich, sondern spendete ihn an die Loungekasse. Alles in allem hatte Major Straubinger aber doch wohl recht was den Geschwaderstolz angeht. Wir waren halt eher Pragmatiker.
von Jürgen Erbeck